Vom Wert der Qualität
Qualität hat ihren Preis – so heißt es. Stimmt. Wenn etwas gut gemacht ist, ist es meistens teuer.
In den letzten Wochen musste ich öfter über Qualität nachdenken und was ich bereit bin, dafür zu bezahlen.
Wenn man so durch die Straßen geht, sieht man überall Schilder in den Schaufenstern: Fünfzig Prozent gesenkt, zwanzig Prozent Rabatt, Kaufe drei, zahle zwei, alles in der Signalfarbe Rot, damit man das ja nicht verpasst, sondern stehenbleibt und vielleicht doch zum Kaufen bewegt wird.
Doch was macht das mit unseren Köpfen? Mit welcher Erwartungshaltung gehen wir einkaufen? Möglichst viel möglichst billig?
Ich war heute das erste Mal in meinem Leben bei Primark und es war ein Gruselerlebnis. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Es drängelte sich gefühlt die halbe Stadt durch die engen Gänge, dazu laute Musik, Kindergeschrei, die Leute standen Schlange an der Kasse und selbst vor der Eingangstür standen Trauben von Menschen.
Die drei Pullover, die ich mir anschaute, waren in China hergestellt, zu hundert Prozent aus Polyester und mit einer roten Warnung versehen, sie von Feuer fernzuhalten.
Da war ich natürlich raus aus dem Laden.
Ich war ziemlich ernüchtert: So viele Menschen sind bereit, mindere Qualität zu kaufen, weil es billig ist. (Auf die Kinderarbeit und Ausbeutung gehe ich hier nicht ein, sei aber trotzdem erwähnt.)
Ich weiß, dass es eine ganze Reihe von Menschen gibt, die von 400€ im Monat leben und schauen müssen, wo was am günstigsten ist. Ich bin ja auch einer von ihnen. Ich könnte sagen, mit meinem begrenztem Geld könnte es jeder verstehen, wenn ich versuche, möglichst billig einzukaufen und oft macheich das auch.
Aber ich finde es trotzdem wichtiger, wo etwas hergestellt wurde und vor allem, von wem.
In den letzten sieben Jahren musste ich lernen, mit sehr wenig Geld auszukommen. Ich habe vor allem gelernt, mit meinem Geld zu haushalten, (meistens) verantwortungsvoll damit umzugehen und aus dem, was ich habe, das Beste zu machen (meine Sparer-Ost-Mentalität hat mir da ganz hervorragend geholfen 🙂 ). Jetzt, wo ich vergleichsweise ein bisschen mehr Geld habe, kann ich innerhalb meiner Möglichkeiten das Bessere zu wählen.
Ein kleines Beispiel von vor ein paar Tagen: Ich stand im Aldi vor dem Gemüseregal und hatte die Auswahl zwischen Möhren und Biomöhren. Beide waren aus Deutschland und es war ein preislicher Unterschied von zehn Cent.
Ich habe mich für die Biomöhren entschieden, aus folgenden Gründen:
Wenn ich die Wahl habe, nehme ich Bio, um ein Zeichen zu setzen (die Läden führen bestimmt Statistik darüber, was wieviel gekauft wird, was dann wiederum Einfluss auf das zukünftige Angebot hat).
Ich möchte den Hersteller unterstützen, der die Biomöhren anbaut und ich bin bereit, für Qualität und Umweltfreundlichkeit zu bezahlen.
Ich sage nicht, dass meine Wahl zwischen Bioladen und Aldi ist, denn die Preise im ersteren sind mir einfach zu hoch, obwohl ich dort sehr gerne einkaufen würde.
Was ich sagen möchte ist: Ich schaue, wo ich mich innerhalb meiner Möglichkeiten und meines Budgets mit gutem Gewissen für Qualität und Nachhaltigkeit entscheiden kann.
Ich habe das Gefühl, dass dadurch bei mir die Zufriedenheit und Lebensqualität steigt, weil ich weiß, dass die Produkte, die ich kaufe, etwas wert sind, hochwertiger sind und ihren Preis haben.
Seit ich einige meiner Kleidungsstücke selber genäht habe, habe ich auch ein neues Verständnis für Wert bekommen und schätze es, wenn etwas gut verarbeitet ist.
Ich habe das ganze natürlich nicht gemeistert, sondern versuche, mich da auch zu steigern und mein Bewusstsein dafür auf andere Lebensbereiche auszuweiten. In letzter Zeit habe ich vor allem bei Kleidung mehr darauf geachtet.
Jemand, der genau weiß, welchen Wert ein Produkt hat, sind einige Frauen in Bangladesh, die teilweise aus schlimmen Verhältnissen kommen, Prostituierte oder davon bedroht waren. Dank der christlichen Organisation Children’s Uplift Programme haben sie die Möglichkeit bekommen, aus der Sexsklaverei auszusteigen, um ein Leben in Würde führen zu können. Sie werden in Kursen für das Nähhandwerk ausgebildet und stellen für die Partnerorganisation Basha Decken, Textilien und Schmuck her. Ihre Arbeit gibt ihnen Würde, ihre Produkte sind handgefertigt, ihre Qualität hat seinen Preis. (Hier habe ich noch ein bisschen ausführlicher darüber geschrieben.)
Vor ein paar Monaten habe ich bei einem Online-Shop, der diese Produkte in Europa verkauft, eine wunderschöne Kette erstanden, bei der ich mich gefreut habe, diesen Preis zu bezahlen, weil ich wusste, von wem sie gemacht wurde und welche positiven Auswirkungen mein Kauf hat.
Nach dem Primark-Schock und den restlichen Erledigungen in der Stadt heute war ich zum Schluss noch in einem Bekleidungsladen, wo mir zur Begrüßung ein Zehn-Euro-Gutschein in die Hand gedrückt wurde.
Meine Begeisterung verflog, als ich sah, dass er erst ab einem Mindesteinkaufswert von vierzig Euro galt. Aber ich dachte, naja, ich kann ja mal gucken. 🙂 Mit zwei Röcken und einem Kleid bewaffnet in der Umkleidekabine stellte sich heraus, dass die Röcke nicht das Richtige waren, das Kleid dagegen traumhaft. Warmer Wollstoff, toller Schnitt, gute Qualität, (sogar mit Taschen!), aber halt sehr viel Geld für meinen Maßstab.
Meine Kriterien waren erfüllt: Hergestellt in Europa (in Polen nämlich), nicht freizügig, sondern schön züchtig 🙂 , gut sitzend und der Preis mit Schmerzen trotzdem im Rahmen des Machbaren. Denn zusammen mit etwas Kleinem für fünf Euro würde beides nur dreißig Euro kosten.
Das ist ein gutes Beispiel dafür, wo Preis und Qualität zusammenkommen.
Ich habe ein gutes Kleidungsstück gekauft, das meine Anforderungen erfüllt, das lange halten wird und das nicht von Kindern hergestellt wurde.
Ich habe also am Ende des heutigen Shoppingausfluges nicht drei China-Plaste-Pullover, mit denen ich nicht am Lagerfeuer sitzen darf, sondern ein wunderschönes Kleid, das zwar soviel wie die drei Oberteile zusammen gekostet hat, dafür aber viel länger halten und mir bei passenden Anlässen ein wunderbares Gefühl geben wird.
Wenn du das nächste Mal durch die Straßen bummelst, kannst du ja mal versuchen, folgende Fragen für dich selbst oder mit der Freundin zu beantworten:
- Wo mache ich Abstriche in der Qualität, weil ich denke, ich kann mir das Bessere nicht leisten?
- Welchen Preis würde ich verlangen, wenn ich das Produkt selber herstellen würde?
- Welchen Wert hat das Produkt wirklich?
- Und welchen Wert hat ein Produkt, das heruntergesetzt wurde?
- Wo kann ich innerhalb meiner Möglichkeiten das bessere Produkt wählen?
Gibt es etwas, wo du auf Qualität achtest? Ich würd mich über Austausch mit euch freuen! 🙂
2 Kommentare zu “Vom Wert der Qualität”
FashionqueensDiary
Sehr schöner Beitrag und dein Primark-Besuch ähnelt sehr meinem ersten (und damit auch letztem^^) Besuch dort. Ich finde es auch gruselig und klar, großes Budget ist nicht immer drin, aber dann kaufe ich mir lieber ein einziges Teil mit dem ich (und alle anderen´) glücklich sind, als 3 günstige Teile die nach zweimal Waschen sowieso in den Müll gehören…
fraufriede
Hab vielen Dank für deinen Kommentar! 🙂 Du hast voll recht, ich kaufe auch lieber ein Teil, was vielleicht ein bisschen teurer ist, dafür aber einfach länger hält und gewisse Kriterien erfüllt!