Märchenmoral

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Märchenmoral

 

Neulich bin ich auf ein Märchen gestoßen, das ich aus meiner frühesten Kindheit kenne. Es gehört zu den Grimmschen Märchen und heißt: „Die Schlickerlinge“. Darin geht es um zwei Mädchen, die eine faul, die andere fleißig, die durch ihre unterschiedlichen Einstellungen zur Hausarbeit das bekommen, was sie verdienen.

 

Die Schlickerlinge

Es war einmal ein Mädchen, da war schön, aber faul und nachlässig. Wenn es spinnen sollte, so war es so verdrießlich, dass, wenn ein kleiner Knoten im Flachs war, es gleich einen ganzen Haufen mit herausriss und neben sich zur Erde schlickerte.

Nun hatte es ein Dienstmädchen, das war arbeitsam, suchte den weggeworfenen Flachs zusammen, reinigte ihn, spann ihn fein und ließ sich ein hübsches Kleid daraus weben.

Als nun das faule Mädchen eine Braut war und die Hochzeit sollte gehalten werden, tanzte das fleißige in seinem schönen Kleide lustig herum, da sprach die Braut:

„Ach wat kann dat Mäken springen

in minen Slickerlingen!“

Das hörte der Bräutigam und fragte die Braut, was sie damit sagen wolle. Da erzählte sie ihm, dass das Mädchen ein Kleid von dem Flachs trüge, den sie weggeworfen habe. Wie der Bräutigam das hörte und ihre Faulheit und den Fleiß des armen Mädchens sah, ließ er sie stehen, ging zu jener und nahm sie zur Frau.

 

Quelle: Wikisource/Die_Schlickerlinge

 

Die Moral ist einfach: Fleiß und Freude an der alltäglichen Arbeit sind für Frauen erstrebenswerte Tugenden, die irgendwann belohnt werden.

Was ich an diesem mehr als 200 Jahre alten Märchen liebe, ist, dass es ums Spinnen geht. Seit ich nämlich angefangen habe, selbst Wolle zu spinnen, habe ich auf einmal einen ganz anderen Zugang dazu.

Ich kann mit dem ersten Mädchen ein bisschen mitfühlen. Wenn ich spinne, reißt auch bei mir manchmal der Faden und ich muss einen Strang Wolle wegtun, um besser weitermachen zu können. Inzwischen haben sich schon viele solcher Stränge oder Schlickerlinge zu einem ganzen Haufen angesammelt und mir war noch nicht eingefallen, wie ich sie verwenden könnte.

Nach dem Lesen des Märchens vor einiger Zeit aber habe ich beschlossen, nicht so zu sein wie das faule Mädchen und immer mehr Schlickerlinge anzusammeln und zu verschwenden, sondern meine Schlickerlinge zu verspinnen.

Ich mag auch an dem Märchen, dass das faule Mädchen Plattdeutsch spricht. Wie die Grimms in den Anmerkungen notiert haben, stammt die Geschichte aus dem Mecklenburgischen, also da, wo ich auch herkomme. Meine Großeltern und mein Vater sprechen Plattdütsch, ich habe es leider nicht gelernt, kann es aber zum Teil verstehen.

 

Märchenmoral und Schlickerlinge

 

Hoffe ich jetzt also, dass sich ein Mann für mich interessiert, weil ich meine Schlickerlinge verspinne? 😀 Ganz sicher nicht.

Aber das Märchen motiviert mich trotzdem dazu, das Spinnen und auch meine alltägliche Arbeit im Haushalt ordentlich und mit Freude zu machen, da meine Einstellung Auswirkung hat auf meine Umgebung. Wenn ich nachlässig und ungehalten bin, wird auch meine Arbeit so aussehen.

Ich will das gar nicht unnötig vergeistlichen, sondern mich und vielleicht euch dazu ermutigen, im Alltag und bei alltäglichen Aufgaben wie Putzen, Kochen, Aufräumen, Wäschen waschen sorgsam und mit Freude dabei zu sein. Um eine Einstellung zu entwickeln, die mir selbst das Leben erleichtert (denn mit Grummeln dauert alles doppelt so lange) und die langfristig vielleicht auch eine Familie erfreut und belohnt.

Da der Bräutigam nicht vorprogrammiert ist, ist die Belohnung für mich als Single-Frau meine eigene Freude und Ordentlichket, Sparsamkeit und Fleiß. Diese Tugenden fallen nämlich nicht vom Himmel, sobald man „Ich will“ gesagt hat, sondern müssen geübt werden und welcher Tag wäre besser geeignet um damit anzufangen als der heutige?

 

2 Kommentare zu “Märchenmoral”

  1. Anne A.

    You’re right. ;D
    Diese Tugenden fallen wirklich nicht vom Himmel und erst recht nicht, wenn man bis zur Hochzeit im Wohnheim gewohnt hat und dann plötzlich eine ganze Wohnung und ZWEI Personen zu umsorgen hat. 🙂 Ich finde es schön, dazuzulernen. Hausarbeit macht mir inzwischen auch Spaß, sie muss nur ihren Platz finden, wenn so viel anderes zu tun ist. Liebe Grüße!
    PS: Ich hab diese Woche Blätter gesammelt und bemalt, das ist auch eine schöne Möglichkeit, was mit den Händen zu machen. 😉

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  2. fraufriede

    Anne, vielen Dank für diesen Einblick, das war bestimmt eine große Umstellung! Da muss man wahrscheinlich am Anfang erst mal durch oder?
    Absolut, das klingt nach einer sehr kreativen Beschäftigung! 🙂 Kannst ja mal Bilder davon auf deinem Blog zeigen!

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